Der Herbst ist in Zürich angekommen. Und damit auch die Zeit, in der man sich als Zürcher langsam aber sicher wieder zwischen Central und Bellevue bewegen kann, ohne von Horden junger Frauen und Männer, die einem Kondome oder Alkohol verkaufen wollen, belästigt zu werden. Zur Info an alle Nicht-Zürcher: Ich spreche vom Niederdorf, einem eigentlich wahnsinnig hübschen Teil der Altstadt indem Restaurants, Bars, Läden und einige Prostituierte zu finden sind.

Doch ich schweife ab. Lange Zeit glaubte ich, dass es nur ein vorübergehendes Phänomen sei: Die Polterabend-Gruppen, die in komischen Kostümen aus der Provinz anreisen und Touristen und Alteinsessene belästigen. Aber Polterabend in Zürich scheinen sich ungebremster Beliebtheit zu erfreuen. Was ich bis zu einem gewissen Punkt verstehen: Schliesslich sind wir eine kleine, unverschämt teure, aber trotzdem wahnsinnig schöne Stadt.

Niederdorf

Was sich jedoch meinem Verständnis entzieht: Wieso müssen diese Polterabend immer nach dem gleichen Schema verlaufen? Borat-Outfits für den Bräutigam, Engelsflügelchen für die Braut in Spe. Der Rest der Kohort trägt ein Schwarzes T-Shirt mit den pinken Lettern “Steffi heiratet”, dazu Jeans, Federboas und Glitzerhüte. Gibt es für schlechte Kostüme eigentlich nicht die Streetparade oder die Dorf-Fasnacht?

Ich will ja niemandem den Polterabend mies machen. Es macht total Spass, sich ein Mal im Leben so richtig daneben benehmen zu dürfen. Aber darf es nicht ein bisschen origineller sein? Vielleicht so, dass sich unbeteiligte Passanten ebenfalls amüsieren können und sich nicht belästigt fühlen?

Eigentlich will niemand Kondome, Jägermeister-Shots oder Toilettenpapier kaufen. Wie wäre es stattdessen mit einem Küsschen oder selbstgemachtem Gin? Ein nicht ganz so schlimmer Grad von Alkoholisierung und das Weglassen selbstkreierter Uniformen würde übrigens auch helfen.

Ganz abgesehen davon, habt ihr euch vielleicht schon Mal die etwas braveren Alternativen zum Polterabend im Niederdorf überlegt? Es gibt etwa diverse Cupcake- und Tortenbackkurse, einen Ausflug nach Lausanne für Shopping und gutes Essen oder eine Stylingparty bei der Trauzeugin zu Hause. Aber ich wäre ja die letzte, die sich gegen eine rauschende Party ausspricht.

Übrigens: Auch Zürich ist ein Dorf. Die Chance, dass ihr jemandem über den Weg lauft, den ihr kennt, ist auch hier ziemlich gross.